Was stimmt nicht mit dem arithmetischen Mittelwert?

Im Blog-Beitrag vom 07.10.2022 wird neben anderem auch eine Einschätzung des EuG zur Beurteilung der Marktüblichkeit behandelt, nach der das arithmetische Mittel zur Beurteilung nicht ausreicht. Dies wirft die Frage auf, warum das arithmetische Mittel zu falschen Einschätzungen führen kann und was eine Alternative darstellt.

Problematisch ist bei der Bildung des arithmetischen Mittels vor allem, dass es nicht ausreißerfest ist. Das bedeutet, wenn in einer Vergleichsgruppe ein Ausreißerwert enthalten ist, beeinflusst dieser die Mittelwertbildung und das arithmetische Mittel kann nicht mehr uneingeschränkt als repräsentativ angesehen werden.

Folgendes Beispiel soll dies illustrieren: Man stelle sich ein Zielobjekt vor, das vergleichbar ist mit 5 Vergleichsobjekten. Diese Vergleichsobjekte weisen in einem bestimmten Kriterium die Werte 2, 2, 3, 4, 14 auf. Zur Bildung des arithmetischen Mittels addiert man die Werte (Summe=25) und teilt durch die Anzahl der Werte (=5). Das arithmetische Mittel beträgt 5.

Den Wert 5 besitzt allerdings kein einziges Vergleichsobjekt. Vier Objekte, die 80% der Vergleichsobjekte repräsentieren, weisen einen kleineren Wert auf und nur ein einziges Objekt besitzt einen größeren Wert. Ist dieser eine Wert durch eine Sondersituation, wie beispielsweise besonderen vertraglichen Umständen, entstanden, mag das Objekt vielleicht von der Beschaffenheit mit dem Zielobjekt vergleichbar sein, die wertbegründende Sondersituation hingegen ist es nicht und findet dennoch über die arithmetische Mittelwertbildung ihren Eingang in die Wertermittlung.

Es ist also naheliegend, das Vergleichsobjekt mit dem Wert von 14 wegzulassen. Das arithmetische Mittel wird nach obigem Vorgehen bestimmt und es ergibt sich der Wert von 2,75. Dieser Wert ist augenscheinlich repräsentativer. Problemtisch ist bei diesem Vorgehen, dass der Anwender selbst entscheiden muss, wann ein Wert einen Ausreißer darstellt.

Daher ist es manchmal sinnvoller, an den beiden Enden der Verteilung gleichermaßen Werte wegzulassen und damit eine Wertspanne zu ermitteln. Dieses Vorgehen ist vergleichbar mit der Bildung des Interquartilsabstands, bei dem am oberen und unteren Ende jeweils 25% der Werte weggelassen werden und innerhalb der Spanne die mittleren 50% zu finden sind. Benötigt man exakt einen Wert, kann das arithmetische Mittel der verbliebenen Werte bestimmt werden. Lässt man im Beispiel den unteren (2) und den oberen (14) Wert weg, so ergibt sich ein arithmetisches Mittel von 3.

Alternativ zum arithmetischen Mittel kann auch der Median ermittelt werden. Der Median ist der Wert, der in der Mitte einer der Größe nach geordneten Reihe steht. Das Vorgehen führt dabei die beschriebene Ermittlung der Wertspanne so lange fort, bis nur noch ein Wert übrigbleibt. Im Beispiel ist dies erneut 3. Der Vorteil des Medians ist seine Robustheit gegenüber Ausreißern. Denn egal, wie die Werte an den Rändern aussehen, der Wert in der Mitte wird davon nicht beeinflusst.

Gelegentlich kann auch der Modus weiterhelfen. Der Modus ist der am häufigsten auftretende Wert. Im Beispiel ist dies die 2, die für insgesamt 40% aller Werte steht. Für die Beurteilung von Preisen ist der Modus meist wenig geeignet. Fragt man jedoch, wie oft eine bestimmte Eigenschaft auftritt (Vorname, Automarke), kann der Modus sinnvoll sein.  

Autor: Prof. Dr. Karsten Kruppe, selbstständiger Berater und Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insb. Finance